Wenn du über ein Podcast-Setting nachdenkst, was kommt dir in den Sinn? Ein professionelles Studio mit teuren Mikrofonen? Akustik-Schaumstoff an den Wänden? Oder die Frage, ob man sich „vor Ort“ trifft oder ein Remote-Tool wie Riverside nutzt?
Das ist die übliche Diskussion. Und sie geht komplett am Kern der Sache vorbei.
Diese Debatte fokussiert sich auf das Handwerk – auf die Technik, die Logistik und die Vermeidung von Hall. Das ist nicht unwichtig, aber es ist der zweite Schritt.
Der erste – und entscheidende – Schritt wird fast immer vergessen.
Der Trugschluss vom „perfekten Sound“
Ich sehe es jede Woche: Menschen investieren Tausende von Euro in das „perfekte“ Mikrofon (meistens dieses eine, das alle YouTuber nutzen), buchen ein Studio oder optimieren einen Raum, bis er „tot“ klingt.
Das Ergebnis? Ein technisch sauberer Sound. Und ein Gespräch, das steif, uninspiriert und vollkommen blutleer ist.
Warum?
Weil der Fokus auf der Technik lag, nicht auf dem Menschen.
Das teure Mikrofon, das wie eine Waffe auf dich gerichtet ist. Die sterile Studio-Atmosphäre, die „Jetzt musst du performen!“ schreit. Die ständige Sorge um „Ähms“ und „Öhms“. All das schafft keinen Raum für Vertrauen. Es schafft Leistungsdruck.
Die wichtigste Erkenntnis für deinen Podcast-Erfolg ist diese: Das Setting ist kein physischer Ort. Es ist ein psychologischer Zustand.
Dein Job als Host ist es nicht, für perfekten Sound zu sorgen. Dein Job ist es, einen Raum zu schaffen, in dem echte Gespräche entstehen können. Ein Raum, in dem dein Gast (und du selbst) vergisst, dass ein Mikrofon mitläuft.
Ein „gutes“ Setting ist ein Setting, das psychologische Sicherheit schafft.
Die drei Ebenen eines strategischen Settings
Wenn ich mit meinen Kunden arbeite, definieren wir das Setting nicht über die Adresse, sondern über das Ziel.
1. Das technische Setting (Das Handwerk)
Ja, wir brauchen eine Grundlage. Niemand will 45 Minuten lang ein Rauschen oder extreme Echos hören. Aber „technisch sauber“ bedeutet nicht „Hollywood-Studio“. Es bedeutet „klar verständlich“.
Handwerks-Tipps:
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Der „Kleiderschrank-Hack“: Der Grund, warum der Tipp so alt ist, ist, weil er funktioniert. Nimm in einem Raum mit vielen Textilien auf. Ein Kleiderschrank, ein Schlafzimmer, eine Bibliothek. Teppiche, Vorhänge und Bücherregale sind deine besten Freunde. Sie „schlucken“ den Hall.
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Meide den „Glas-Palast“: Große Fenster, kahle Wände und hohe Decken sind der Todfeind jeder Aufnahme. Wenn du in einem solchen Raum aufnehmen musst, stell ein paar mobile Trennwände (Akustik-Stellwände) auf oder hänge dicke Decken auf.
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Nah ran ans Mikro: Die 90/10-Regel. 90% der Soundqualität kommt von 10% des Equipments – nämlich der Mikrofon-Technik. Sprich nah und direkt ins Mikrofon (ca. eine Handbreit entfernt). Das erhöht den Anteil deiner Stimme und reduziert den Anteil des Raums (Hall). Ein günstiges Mikrofon, das nah besprochen wird, klingt besser als ein teures, das einen Meter entfernt steht.
2. Das psychologische Setting (Der Mensch)
Hier scheitern die meisten. Das Ziel ist es, die Aufnahmesituation unsichtbar zu machen.
Das ist der Grund, warum ich mein eigenes Boutique-Podcast-Studio bewusst nicht wie ein steriles Labor, sondern wie ein Wohnzimmer gestaltet habe. Die professionelle Technik ist vorhanden, aber sie ist dezent im Hintergrund, sie fügt sich nahtlos ein. Sie spielt nicht die Hauptrolle.
Die Hauptrolle spielt der Mensch. Deshalb achte ich auf Details, die 99% der Produzenten ignorieren: Ich sorge für einen angenehmen Duft – vielleicht Zitrus, um die Kreativität anzuregen, oder Lavendel für ein ruhiges, fokussiertes Gespräch. Es geht darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem sich mein Gegenüber sicher und wertgeschätzt fühlt, noch bevor das Mikrofon an ist.
Handwerks-Tipps:
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Entschärfe die Technik: Wenn du Gäste hast, die nervös sind (und das sind fast alle), vermeide riesige Studio-Mikrofone, die auf Stativen thronen. Nutze stattdessen unauffällige Ansteck-Mikrofone (Lavaliers) oder kleine Tisch-Mikrofone. Die Technik muss dem Gespräch dienen, nicht umgekehrt.
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Dreh die Bildschirme weg: Wenn du remote aufnimmst: Bitte deinen Gast (und tu es selbst), alle Programme außer dem Aufnahme-Tool zu schließen. Insbesondere: Schalte die „Selbstansicht“ aus. Wenn du dich nicht ständig selbst siehst, hörst du auf, dich selbst zu bewerten, und fängst an, zuzuhören.
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Das Vorgespräch ist das Setting: Das eigentliche Setting baust du in den 10 Minuten vor der Aufnahme auf. Nicht mit Technik-Checks, sondern mit menschlichem Kontakt. „Wie geht es dir gerade?“, „Schön, dass wir das machen.“ Baue Rapport auf. Die Aufnahme ist dann nur eine Fortsetzung dieses Gesprächs.
3. Das strategische Setting (Das Ziel)
Die Wahl des Ortes ist eine strategische Entscheidung, die dein „Warum“ widerspiegelt.
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Remote (via Riverside & Co.):
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Ziel: Effizienz und Zugang. Du willst die besten Experten der Welt, unabhängig von ihrem Standort. Du signalisierst: Der Inhalt ist wichtiger als die Form.
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Falle: Es kann distanziert wirken. Das Vorgespräch (siehe 2.) ist hier überlebenswichtig, um eine Verbindung herzustellen.
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In-Person (Studio):
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Ziel: Maximale Kontrolle und Audio-Qualität. Geeignet für hoch-polierte Formate, Hörbücher oder wenn du ein klares „Statement“ machen willst.
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Falle: Es ist oft einschüchternd, unnatürlich und teuer. Es kann Authentizität töten.
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In-Person (Vor Ort beim Kunden / Gast):
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Ziel: Authentizität und Wertschätzung. Du betrittst die Welt deines Gastes. Das Gespräch wird sofort echter und geerdeter. Ideal für B2B-Podcasts, um Unternehmenskultur einzufangen.
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Falle: Logistischer Aufwand. Du musst mobil sein und mit den Gegebenheiten (z.B. dem Besprechungsraum mit Glaswand) umgehen können.
Fazit: Hör auf, dein Mikrofon zu optimieren
Dein Podcast wird nicht erfolgreich, weil er „perfekt“ klingt. Er wird erfolgreich, weil er relevant ist. Weil er ehrlich ist. Weil er Vertrauen aufbaut.
Wenn du das nächste Mal eine Aufnahme planst, stell dir nicht die Frage: „Wie vermeide ich Hall?“
Stell dir die Frage: „Wie schaffe ich einen Raum, in dem sich mein Gegenüber sicher genug fühlt, um ehrlich zu sein?“
Das ist die einzige Einstellung (Setting), die wirklich zählt.
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